Sympathisch wie „Mörtel“ Lugner

Richard Lugner sympathisch?

Wer möchte schon sympathisch wie „Mörtel“ Lugner sein? Diese Frage stellte mir der Studiengang an der Fachhochschule Campus02 – Schwerpunkt Innovationsmanagement  – bei meinem Gastvortrag über Sympathie. Zuerst blockte ich die Frage völlig ab, doch mit der Zeit gefiel mir die Vorstellung, einen Artikel über den ehemaligen Bauunternehmer zu verfassen.

Richard Lugner ist ein österreichisches Medienphänomen. Bekannt geworden als Bauunternehmer, inszeniert er sich und seine Familie seit etlichen Jahren im Fernsehen. In diesem Blogartikel sehen wir uns an, was ihn so begehrt macht. Und vor allem wird folgender Frage nachgegangen: Ist die Begierde nach einem Menschen gleichzusetzen mit Sympathie? Kann man erfolgreich sein, ohne sympathisch zu sein? Spannende Fragen, auf welche ich versuche im Folgenden einzugehen.

Auf den ersten Blick tun sich mehrere Parallelen zum – möglichen – Präsidentschaftskandidaten der USA, nämlich Donald Trump auf. Auch Herr Lugner möchte als Bundespräsident kandidieren – zum 2. Mal übrigens nach 1998. Auch „Mörtel“ weicht von traditionellen Sympathiegewinnungsstrategien maßgeblich ab, um Aufmerksamkeit zu erlangen in der österreichischen Bevölkerung.

Die Mörtel-Marke
Auch, wenn wir mit/über „die Lugners“ gerne lachen. Als Marke steht er im österreichischen Raum Donald Trump in nichts nach. Oder haben sie gewusst, dass bei der Bundespräsidentenwahl 413.000 WählerInnen Richard Lugner das Vertrauen schenkten. Was fasziniert uns an diesem Menschen?
Ist es sein Geltungsdrang rund um den Opernball?
Ist es sein Gespür für das ultimative Fettnäpfchen?
Sind es seine um Jahrzehnte jüngeren Liebesgespielinnen, die sich im beinahe im Monatstakt abwechseln?
Ist es seine Bereitschaft, keiner Peinlichkeit aus dem Weg zu gehen?
Sind es seine Streitigkeiten mit seiner ersten Frau?
Ist es seine mürrische, aufbrausende Art, die ihn völlig unberechenbar macht?
Ist es sein Reichtum?
Ich nehme an, es ist eine Kombination aus allen Elementen. Wir dürfen nicht vergessen, dass manche Charakterzüge seinem Alter (83) geschuldet sind. Insofern redet er, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und ich würde meinen, dies ist auch authentisch. Nur „rohe“ Authentizität macht nicht unbedingt sympathisch. Diplomatisches Geschick lässt Herr Lugner eher selten aufblitzen. Vielleicht fasziniert uns genau diese Geradlinigkeit, welche wir selten in unserem Leben zur Schau stellen dürfen/können/wollen.

Warum Mörtel fasziniert
Ich antworte an diesem Punkt ebenfalls mit Fragen: Warum lesen wir Society Glanzbroschüren? Weshalb werden Paparazzi so gut bezahlt? Warum erfreuen wir uns an Missgeschicken anderer?
Bei den Lugner`s ist es eine Mischung aus Bewunderung (dies dürfen wir natürlich nicht zugeben ;-)) und Fremdschämen. Jeder in Österreich kennt diesen Herrn, er stellt eine Personenmarke par excellence dar. Er grenzt sich vom Rest der ÖsterreicherInnen ab. Man kann über die Art und Weise der Differenzierung sprechen, doch er lebt Unterschiede, die einen Unterschied machen. Er hat definitiv Kontakte in das Who is Who der österreichischen Wirtschaft und der High-Society. Nur, um dies festzuhalten – ich rate keinem, diese Niesche zu besetzen, aber Richard Lugner tut dies nun einmal. Er ist einer der Wenigen, die bereit sind, den Preis für ihre Berühmtheit zu bezahlen.
Der aktive Kommunikator
Das führt mich bereits zum nächsten Punkt, den man an ihm bewundern kann: sein Selbstvertrauen. Er ist ein Kommunikator und hat keine Angst, zurückgewiesen zu werden. Er sucht aktiv mit seinem Umfeld das Gespräch (über die Qualität des Inhalts kann man wieder diskutieren). Fakt ist jedoch, dass er eher dominant dem Gegenüber seine Meinung aufdrängen will. Diese Dominanz geht in manchen Fällen so weit, dass es schon wieder lustig für die Zuseher ist. Er besitzt definitiv einen Geltungsdrang – aus welchen Gründen auch immer. Er will geliebt bzw. verehrt werden für das, was er tut, doch der Punkt ist, dass er aktiv etwas tut und sich nicht seinem Schicksal ergibt.
Jeder weiß, wie wichtig ein Netzwerk für den geschäftlichen und persönlichen Erfolg ist und die Gabe solch ein Netzwerk aufzubauen und zu erhalten, besitzt Richard Lugner definitiv. Nochmalig – ich bewundere nicht seinen Kommunikationsstil, sondern lediglich seine Bereitschaft zu kommunizieren, kommunikative Hürden zu nehmen.

Lugner – die Lachnummer
Viel mehr als über diese positiven Punkte lachen und reden wir über seine Eskapaden und Launen. Weshalb tun wir dies eigentlich? Über jemand anders zu lachen, lenkt von den eigenen Problemen und dem eigenen Leben ab. Mehr noch, es erleichtert aktiv das eigene Leben! In meinem Buch „Der Sympathie-Code“ habe ich diesen Punkt ausführlich behandelt. Wenn man einen Menschen bewundert, dann könnte der Wunsch entstehen, seine eigene Komfortzone zu verlassen, um sich eben dieser Person anzunähern.
Macht man sich jedoch lustig über diesen Menschen und sein Leben, dann erfolgt implizit eine Bestätigung des eigenen Lebens: „Schau dir den an, Gott sei Dank sind wir nicht so wie er/sie!“ Vor allem bei Prominenten ist dies sehr beliebt, da Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, dem Spott und der Kritik noch viel stärker ausgesetzt sind – Weshalb lechzt man nach Fotos, auf welchen die Stars ungeschminkt oder unvorteilhaft abfotografiert wurden?
Jedes Mal, wenn man den Fernseher einschaltet, um „Die Lugners“ zu sehen, erhoffen wir uns eine Ablenkung von unserem eigenen Leben und ein Stück weit eine Bestätigung unseres selbst eingeschlagenen Weges.

Fazit
Provokant formuliert: Der irrsinnige Geltungsdrang von Herrn Lugner ermöglicht es uns, von unserem Leben, von unseren Problemen, ein Stück weit Abstand zu gewinnen. Das Beschäftigen mit Auffälligkeiten anderer erlaubt es, dass wir uns am Ist-Zustand unseres eigenen Lebens erfreuen, wenn auch nur kurz. Insofern hat Herr Lugner etwas durchaus Sympathisches an sich…

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